ChemSex – Die Lust im Rausch – und das Tief danach?

Am 21. Juni fand in Kassel, organisiert durch die AIDS-Hilfe Kassel e.V. und HESSEN IST GEIL!, in Kooperation mit dem schwul trans* queer Referat der Universität Kassel, ein Schwerpunktabend rund um die Thematik „Chemsex“ statt: Dem Konsum (il)legalisierter psychoaktiver Substanzen in sexuellen Kontexten, insbesondere in der MSM*-Szene.

Der Themenabend war Teil der seit 2012 bestehenden Filmreihe Queerfilm Kassel, welche sich zur Aufgabe gemacht hat unterschiedliche Lebenswelten von LGBT*I*Q sichtbar zu machen und auch anderen dem Stigma der Gesellschaft ausgesetzten Lebensrealitäten einen Raum zu geben. So fand auch die britische Dokumentation „Chemsex“ aus dem Jahr 2015 Eingang in die Filmreihe.

Die Filmvorführung wurde von einem Vortrag und einer abschließenden Diskussion gerahmt: Hierfür waren Björn Beck von HESSEN IST GEIL! und aus dem Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe, sowie Florian Winkler-Ohm der Kampagne ICH WEISS WAS ICH TU vor Ort. Orientiert an den Anliegen und Fragen des Publikums haben die beiden über Drogenkonsum in der MSM*-Szene berichtet. Hierbei gab es sowohl Raum für Diskussion über politische Haltungen gegenüber Drogenkonsument*innen, die von Repression und Ablehnung geprägt sind, als auch Informationen zu Safer Use-Praktiken und den biochemischen Wirkungen einzelner Substanzen. Im Fokus lag dabei, wie es auch in der Dokumentation „Chemsex“ der Fall ist, die besondere Wirkweise von Crystal Meth auf viele der Konsument*innen. Der Themenabend Chemsex ermöglichte so einen spannenden und niedrigschwelligen Austausch über Drogen, deren Risiken, aber auch Ängsten und Unsicherheiten im Umgang mit Drogenkonsument*innen.

Lust, Sex und Rausch sind untrennbar miteinander verbunden, denn guter Sex berauscht ja selbst auch. Um den Rausch noch zu steigern, oder Hemmungen zu senken, werden auch schon lange Substanzen genutzt, die den Spielraum erweitern. Relativ neu beobachten wir aber das Zusammenspiel von Methamphetamin (Crystal Meth) und schwulem Sex. Hier ist die Ausschüttung von Dopamin um ein Vielfaches verstärkt. Wenn man die Dopamin-Ausschüttung im Gehirn bei gutem Sex mit zehn Einheiten gleichsetzt, kann man den Rausch nach dem intravenösen Konsum von Crystal Meth mit etwa zwei Millionen Einheiten (nach aktuellen Studien von Suchtmedizinern) verorten. So wird der Sex ohne Chems schnell als langweilig erlebt und es baut sich eine fast untrennbare Verbindung auf.

Diese Verbindung wieder zu lösen, nach etwa eineinhalb Jahren Konsum, hat Florian einige Kraft gekostet. Regulär findet heute bei den meisten Crystal Meth-Konsument_innen zumeist ein stationärer Entzug statt, der über mehrere Monate angelegt ist. Dabei findet in vielen Fällen auch ein direktes Lösen aus dem Umfeld der Abhängigen statt, um die Rückfallquote zu minimieren.

Florian berichtete, dass er auf diese stationäre Variante verzichtet hat und sich – analog dem Modell im Film Chemsex – für einen durch einen Therapeuten begleitenden Entzug entschieden hat. Einmal wöchentlich besucht er die Therapie, welche insbesondere das Ziel hat die drogenfreien Zwischenräume zu vergrößern. Inzwischen verspürt er keine Lust mehr auf neuen Konsum von Crystal Meth. Gleichzeitig bleibt – analog Alkoholerkrankungen – die Herausforderung diesen Zustand stetig aufrecht zu erhalten.

HESSEN IST GEIL! bietet in verschieden Veranstaltungen Information zum Thema Substanzgebrauch. „ChemSex ist ja nicht nur Crystal Meth und fängt eigentlich schon bei Alkohol, Poppers und den bekannten blauen (oder grünen) Ständerpillen an“, sagt Björn von HESSEN IST GEIL! „Und auch hier müssen wir schon aufpassen, was wir zusammen einwerfen – nicht alles verträgt sich miteinander.“
Dabei geht es nicht darum Substanzkonsum zu verdammen, sondern Gesundheitsrisiken und Wechsel- und Nebenwirkungen zu minimieren. „So viel Spaß wie möglich, bei so wenig Schaden wie möglich.“

Zu den verschiedenen Substanzen, Anwendungsformen und Neben-/Wechselwirkungen wird es in Kürze noch eine Fülle von Informationen und auch Material geben.

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