Das beste (?) Stück des Mannes?

Männer, ganz besonders schwule Männer, sind fasziniert von Penissen. Jeden Tag fassen wir ihn mehrfach an, spüren ihn und er spürt unsere Berührungen. Es ist eine spannende, tiefe und bedeutende Beziehung, die wir im Laufe unseres Lebens zueinander aufbauen.

Der Penis ist nicht einfach ein nur Körperteil. Anders als unsere Hände, Augen oder unser Herz wird er spätestens mit der Pubertät zu einem zentralen Teil unserer Identität als Mann. Und je größer und prachtvoller er ist, desto männlicher nehmen wir uns wahr. Natürlich vergleichen wir unseren auch mit denen der Konkurrenz. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Szenen in der Dusche nach dem Sportunterricht: Wer hat schon Haare am Sack? Wer hat die dicksten Eier? Und natürlich: Wer hat den Größten? Ein eingebautes Statussymbol. Nein, DAS Statussymbol schlechthin.

Und dann die Orgasmen! Dieses unglaublich geile Gefühl, das er uns beim Abspritzen schenkt – da wundert echt niemanden mehr, dass wir eine so innige Beziehung zu unserem besten Stück haben.

Das ist alles schön und gut. Doch was, wenn wir trotz allem nicht sensibel genug mit ihm umgehen? Wir müssen auf ihn achten, uns um ihn kümmern, ihn hegen und pflegen. Denn wenn wir das nicht tun, versagt er uns womöglich den Dienst… der Super-GAU, der nur von einer noch größeren Katastrophe übertroffen werden kann — wenn er weg wäre.

Nichts stürzt auch die härtesten Kerle unter uns, so schnell in eine tiefe Krise wie seine Arbeitsverweigerung. Das ist die Achilles-Ferse eines jeden Mannes.

Dabei lebt etwa die Hälfte aller Menschen auch ohne einen Penis ganz gut.

Obwohl wir eine so tiefe und lange Beziehung miteinander haben, verstehen wir uns doch nicht immer. Und so ranken sich auch viele Mythen um das beste, wenn auch sensible Stück des Mannes. Damit räumen wir jetzt auf!

Schwanz auf den Tisch: Mythen sind eben doch nur Mythen.

Bevor wir starten: Wir leben im Jahr 2022. Dass dieses eigensinnige Ding zwischen unseren Beinen uns nicht automatisch zu Männern macht, sollten wir langsam alle verstanden haben. Und auch, dass die Größe in keinem Verhältnis zu unserer „Männlichkeit“ (was immer das auch sein soll) steht. Es mag ja für einige noch verwirrend sein, aber weder das Vorhandensein, noch Fehlen oder die Größe eines Penis sagt etwas über das Geschlecht eines Menschen aus. Get over it!

So. Jetzt, wo das geklärt ist, beschäftigen wir uns doch mal etwas mit dem Dödel, Schwanz, Pimmel, Schwengel, Pullermann…

Das sind keine 20 Zentimeter!

In einer systematischen Übersicht von knapp 20 Studien und etwa 15.500 Männern, deren Penisse von Fachpersonal akkurat vermessen wurden, stellte man international eine durchschnittliche Länge von 9,16 cm (schlaff) und 13,12 cm (erigiert) fest. Der Umfang lag bei 12,5 cm.

Anders als bei anderen Säugetieren und Primaten hat der menschliche Penis keinen Knochen. Also kann da auch nichts brechen. Ein sogenannter „Penisbruch“ ist eigentlich ein Riss oder Platzen eines Schwellkörpers und stellt einen medizinischen Notfall dar.

Apropos Schwellkörper: Davon hat er drei! Die sind einerseits für die Erektionen und andererseits für die Form zuständig. Sind die Schwellkörper unterschiedlich groß oder lang, gibts eine Krümmung in Richtung der Kürzeren.

Eine Erektion entsteht durch Entspannung bestimmter Muskeln und das Einfließen von Blut in die Schwellkörper. Dabei verdoppelt oder vervierfacht sich die Länge, und der Umfang erweitert sich bis um das Dreifache. Der Druck im Schwellkörper übertrifft den normalen Blutdruck um ein Vielfaches. Die ersten Erektionen übt der kleine Penis schon lange vor der Geburt. Und ist der Mensch gesund, kommt es auch im gesamten Verlauf des Lebens besonders nachts immer wieder zu Erektionen. Dabei kann es dann auch zu Samenergüssen kommen. Zum „Abspritzen“ ist eine Erektion übrigens nicht zwingend erforderlich, ebenso wenig wie ein Orgasmus.

Bitte was? Orgasmus ohne Erektion?

Noch mal langsam: ein Orgasmus ist weder an „eine Latte“, noch ans Abspritzen gekoppelt. Abspritzen geht auch ohne Ständer und ein Orgasmus bringt nicht immer einen Erguss mit sich.

Das geht zum Beispiel durch gezielt trainiertes Anspannen der Beckenbodenmuskulatur oder durch Reizung der Prostata (z. B. beim Ficken, Fisten oder Fingern).

Auch die Eichel ist nicht ganz unwichtig. Zusammen mit der inneren Vorhaut und dem Vorhautbändchen ist sie eine der erogensten Körperstellen. Die Haut ist besonders dünn und enthält enorm viele spezielle Nervenenden. Manchmal gibt es am Eichelrand sogenannte Hornzipfel. Darüber muss man sich allerdings keine Sorgen machen, das ist weder eine Fehlbildung noch eine Erkrankung. Die Nervenenden in der Eichelhaut übertragen die Reizung an das Ejakulationszentrum. In einer komplexen Reflexkette lösen sie den Orgasmus und den Samenerguss aus. Einmal in Gang gesetzt, können wir diese Kettenreaktion nicht mehr aufhalten.

Sich an diesen „Point of no Return“ heranzutasten, nennt man auch „edging“ und es kann die sexuelle Lust um ein Vielfaches steigern.

Nicht nur das Gefühl beim Orgasmus ist ein Höhepunkt, der Körper vollbringt an diesem Punkt wirklich Höchstleistungen! Blutdruck, Puls und Atmung steigen auf ein Maximum. Im Gehirn werden verschiedene Botenstoffe („Glückshormone“) ausgeschüttet, die das Schmerzempfinden herabsetzen und uns einen ganz besonderen Rausch verschaffen. Auch die Aktivität des Großhirns wird zum Orgasmus hin immer weiter runtergeschraubt, was wahrscheinlich den Mythos begründet, dass der Körper nur den Penis oder das Hirn mit Blut versorgen kann, nicht aber beide gleichzeitig. Vielleicht kommt das manchen Penis-tragenden Menschen aber auch nur als gelegene Ausrede, sich mal „hirnlos“ daneben zu benehmen, wenn sooooooo viel Blut gerade in ihrem Penis gebraucht wird.

Wie nah Freud(e) und Leid beieinanderliegen können, erkennen wir an den beim Orgasmus ausgeschütteten Glückshormonen. Die gleichen Glückshormone werden sowohl durch Substanzen wie Amphetamin oder Kokain, als auch durch manche Medikamente, wie z. B. Antidepressiva ausgeschüttet. Wie so häufig im Leben ist es auch bei den Glückshormonen eine Frage des richtigen Timings. Sind durch Medikamente oder Substanzen bereits vorher viele dieser Botenstoffe freigesetzt, können sie zu Erektionshemmungen oder Orgasmusschwierigkeiten führen.

Stress, Alkohol und toxisches Dating-Verhalten sind Gift für den Schwanz!

Stress, Nervosität, Alkohol und Nikotin ‑ das sind und bleiben die häufigsten Ursachen für Erektionsprobleme. Um dem entgegen zu wirken, helfen, wie so oft, Entspannung, Sport, frische Luft und eine gesunde Ernährung. Wenn es allerdings dauerhaft zu „Durchhängern“ kommt, sollte man sich ärztlich durchchecken lassen, da auch Erkrankungen die Ursache sein können.

Mit zunehmendem Alter wird der Lümmel aber immer mehr zu einem Stimmungs- oder Stressbarometer und wäre damit doch ein guter Hinweis darauf, dass man sich etwas mehr Ruhe gönnen sollte.

Zurück zum Stichwort Stress. Was stresst uns eigentlich vor oder beim Sex? Genau, die Angst davor, dass er mal nicht will. Ein Teufelskreis. Ist es nicht viel schöner, sich vielleicht einfach eine Runde zu massieren und zu entspannen, wenn es gerade nicht läuft? Warum sollte man sich gegenseitig noch mehr stressen und sich so unter noch größeren Druck setzen? Schließlich wissen wir doch selbst gut genug, dass er seinen eigenen Kopf hat und unglaublich stur sein kann.

Für noch mehr Stress sorgt der Druck, den man als Schwuler beim Online-Dating zu spüren bekommt. „Meiner ist 20×6, deiner?“ Wir sind echt Meister darin, uns gegenseitig das Leben schwer zu machen. Als wäre Sex Leistungssport, um uns ständig von der Funktionstüchtigkeit unserer Männlichkeit selbst (und andere) zu überzeugen. Was ein unnötiger (Kompensations-) Druck.

Zwischen Unsicherheit und Selbstüberschätzung

Tatsächlich geben viele Männer an, wegen der Größe ihres besten Stücks unsicher zu sein. Gleichzeitig berichten sie aber auch, dass es ihnen beim Sex nicht so sehr auf die Größe ankommt. Versteh ich das jetzt richtig: Die Größe der anderen ist nicht so wichtig, aber die eigene Größe ist es, weil die anderen sie wichtig finden? Deshalb gibt man dann im Online-Profil mal lieber L als M an, um sich interessanter zu machen. Ein blödes Dilemma, in das man sich da selbst hineinmanövriert hat: ein L zu präsentieren, wo aber „nur“ ein M verfügbar ist.

Woher kommt dieser Druck, dass erklärte Bottoms trotzdem mit ihrem XL-Schwanz prahlen müssen und entsprechend auch nur nach mindestens XL suchen? Vier von fünf Männern schummeln in Datingprofilen oder wenn sie gefragt werden. Es ist zwar konsequent, dass sie dann auch bei Kondomen die falsche Größe kaufen, aber trotzdem unklug, weil dann die Sicherheit der Gummis darunter leidet.

Es ist wie bei den Altersangaben: wir altern nicht langsamer und dafür wachsen unsere Schwänze. Und mit mehr oder weniger leicht frisierten Angaben setzen wir uns doch nur wieder selbst und gegenseitig unter einen fiesen Leistungsdruck. Und dabei ist das doch komplett unnötig. Es mag eine gewagte These sein, aber wenn uns die Größe doch nicht so wichtig ist, warum machen wir sie dann so wichtig und legen uns die Stolperfalle selbst genau an die Stelle, wo wir nicht drumherum kommen?

Eine Prostata-Untersuchung wird mit dem Finger (!) gemacht und nicht mit dem ganzen Arm. Um einen Anal-Orgasmus auszulösen, braucht man also keine 20 cm. Da reichen schon fünf, sofern man weiß, was man tut. Und auch mit den großen Dingern sollte man wissen, was man tut, sonst kann das für den anderen ziemlich schmerzhaft werden. Eine Fissur, also ein Riss der Darmschleimhaut, muss im schlimmsten Fall operiert werden und bis zur vollständigen Abheilung zieht sich das über einige Monate hin.

Ersparen wir uns doch den Druck, den Stress und die Enttäuschungen und genießen lieber die Ekstase, die er uns und wir uns gegenseitig bereiten können.

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