IDAHOBIT* 2016 – Mittelhessen geht steil!

(von Tarek Shukrallah)
Es ist wieder so weit! Zum jetzt elften Male findet am 17. Mai 2016 der „Internationale Tag gegen Homo-, Trans*- und Bi*phobie“, kurz: IDAHOBIT*, statt. Es ist ein Tag zum Resümieren, ein Tag zum Innehalten, und auch ein Tag um laut zu sein, Gesicht zu zeigen und für eine gerechtere Gesellschaft zu kämpfen.

Die schwule Emanzipationsbewegung hat in den vergangenen Jahrzehnten augenscheinlich fast alles erreicht. Manche meinen sogar, es gebe nur noch den letzten Schritt zur rechtlichen Gleichstellung der Homosexuellen mit den Idealen der Heterosexuellen und ihrer Ehe zu erkämpfen. Dabei vergessen wir zu oft die Konsequenzen dieser Politiken: Der Sieg eines Weltbildes aus der Vergangenheit über eine emanzipatorische und diverse Gesellschaft oder auch die Tatsache, dass die Kämpfe um diese „Fortschritte“ auf dem Rücken viel zu vieler Menschen ausgetragen werden, die nicht, die niemals, in diese heteronormative Gesellschaft eingepasst werden können, oder es schlichtweg nicht wollen.

Jedes Jahr zum IDAHOBIT* wird deutlich: Es ist viel zu tun. Noch vor einigen Jahren hieß der 17. Mai nur „IDAHO“, also Internationaler Tag gegen Homophobie (besser: Internationaler Tag gegen Homonegativität!). Seitdem hat sich viel getan: Die Weiterentwicklung zum weitaus inklusiveren IDAHOBIT* ist nicht zuletzt Ergebnis emanzipatorischer Kämpfe einer queeren Bewegung die nicht in die Kategorien und Machtstrukturen des Patriarchats passen kann und will, und nicht einfach nur akzeptiert, dass die schwule Bewegung die einzige mit mehr oder minder viel Erfolg geblieben ist.

Es ist wahr: Wir Schwulen werden tagtäglich diskriminiert. Das äußert sich nicht zuletzt in den vielfältigen Formen der Selbstkontrolle und Selbstdisziplinierung und den ständigen Coming-Outs in unseren Leben. Dennoch: Dass wir, und nur wir, mit unseren Emanzipationskämpfen scheinbar „erfolgreich“ geblieben sind hat nicht zuletzt auch damit zu tun, dass im Patriarchat Frauen abgewertet werden, und Männer zu „Herren“ erzogen werden.

Die Herausforderungen unserer Zeit müssen immer wieder analysiert werden, wir müssen uns immer und immer wieder fragen: Was habe ich, was haben wir, erreicht? Was gibt es noch zu tun? und auf wessen Kosten habe ich mich durchgesetzt? Habe ich eine andere Minderheit durch mein Verhalten marginalisiert?

Diese Debatten werden bei einem Blick auf die Veranstaltungen zum IDAHOBIT* 2016 in Mittelhessen deutlich sichtbar. Das Autonome Schwulenreferat im AStA der Philipps-Universität Marburg, das Autonome Schwul-Trans*-Queer-Referat der Uni Gießen, die Aktivist_innen des Rainbow-Refugee-Cafés in Gießen, die AIDS-Hilfen in Mittelhessen, die Kampagne HESSEN IST GEIL! und einige andere Akteur_innen haben ein wirklich vielfältiges Programm. In dessen Zentrum steht die Frage um die Sichtbarkeit sexueller und geschlechtlicher Minderheiten.

Am Morgen von 11:30 Uhr bis 14:00 Uhr steht das Autonome Schwulenreferat in der Mensa am Erlenring und informiert über Homonegativität, die Diskriminierung von HIV-Positiven und weitere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Das Schwulenreferat ist der wohl letzte dezidiert schwule Raum der Region Mittelhessen – und wohl einer der letzten, in dem es noch eine politische Tuntenkultur gibt (Stößchen!). Die Aktivisten wollen darauf aufmerksam machen, dass diese Gesellschaft in ihren emanzipatorischen Kinderschuhen steckt.

Der Nachmittag wird mit einer Kundgebung um 15:30 Uhr in Gießen begangen.  Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans* Inter* und Queers werden laut für eine buntere Gesellschaft für uns alle: Eine Gesellschaft, in der es nicht darum geht wie sehr Heteros alle anderen „tolerieren“ oder „akzeptieren“, sondern eine, in der es niemandem mehr zusteht auf die eine oder andere Weise über Sexualität, Geschlecht, Aussehen und gesellschaftlichen Status Anderer zu urteilen.

Am Abend findet eine Veranstaltung um 20:30 Uhr mit Walter Seegelken vom Bisexuellen Netzwerk e.V. in den Räumen des Autonomen Schwulenreferats (AStA Marburg, Erlenring 5 in 35037 Marburg) statt. Das Schwulenreferat möchte diskutieren, wie es um die Sichtbarkeit und die Diskriminierung von bisexuellen Menschen nicht nur in der heteronormativen Allgemeingesellschaft, sondern auch – und insbesondere – in unserer Community geht. Es wird thematisiert wie Bisexuelle aus „unseren“ Räumen ausgeschlossen werden, und wie ihre sexuelle Orientierung als „Phase“ oder ähnlich widerliches relativiert wird.

Wir geben uns am Dienstag, den 17. Mai 2016, die Möglichkeit uns sichtbar zu machen, und uns selbst kritisch zu hinterfragen. Bist du dabei?

Und damit nicht genug: Das autonomeQueer-Feministische Frauenreferat der JLU Gießen lädt im Rahmen des IDAHOBIT 2016 zu einem Filmdiskussionsabend am 19.5. um 18:30 Uhr ein in die Räume des QFFR in der Goethestr. 55. Es wird gezeigt „The Danish Girl“!

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