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„Ich mach’s nur safe!“ – Was an diesem Satz alles NICHT stimmt.

Seit Anfang September wird die PrEP (Prä-Expositions-Prophylaxe) von der Krankenkasse übernommen. Für viele ist es jetzt erst möglich diese Safer-Sex-Methode zu nutzen, denn zusammen mit den Blut- und STI-Tests kostet die PrEP etwa tausend Euro pro Jahr. Die Kostenübernahme ist also ein wichtiger Schritt für die Männer, die sich mit der PrEP vor einer HIV-Infektion schützen wollen.

Aber dieses Thema erregt auch die Gemüter in der Community und es wird hitzig diskutiert, was „safe“ ist und was nicht. Kritiker befürchten durch die PrEP eine Sorglosigkeit im Umgang mit HIV und Geschlechtskrankheiten (STI). Erstmal ist mir wichtig, dass es „safe“ nicht gibt! Und „safe“ ist nicht nur falsch, sondern aus meiner Sicht sogar verantwortlich für mehr sexuell übertragbare Infektionen, denn viele denken, dass sie mit einem Gummi beim Ficken „safe“ sind und so nichts kriegen können. Der richtige Begriff ist „Safer Sex“, also „sicherer“ als Sex ohne Schutz und bezog sich allein auf den Schutz vor HIV. Damals war es Sex mit Kondom, heute kommen auch die Schutzwirkung der HIV-Therapie und die PrEP dazu. „Safe“ ist Sex aber nie, absolute Sicherheit gibt es einfach nicht – und schon gar nicht beim Sex. Und auch Sex ohne Kondom kann also „safer Sex“ sein, das sollten endlich alle wissen und sich auch darüber freuen.

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HIV-Test: Schutzraum für Schwule und andere Männer, die Sex mit Männern (MSM) haben

Seit Jahresbeginn wurde das mittelhessische Test-Angebot erweitert. Das Projekt „MITTELHESSEN IST GEIL“ hat schon in den Jahren zuvor speziell für schwule Männer ein HIV-Testangebot bereitgehalten. Insbesondere weil MSM in Deutschland zur größten Hauptbetroffenengruppe für HIV und STI gehören, fand bisher im Wechsel zwischen den beiden mittelhessischen Aidshilfen in Gießen und Marburg genau für diese Gruppe an den Dienstagen statt.

Das Projekt ist inzwischen so erfolgreich, dass es auch zunehmend von Menschen, die nicht zur Zielgruppe gehören, wahrgenommen wurde. Da Sexualität zwischen Männern aber immer noch sehr stark abgewertet wird und sich zudem in Mittelhessen zunehmend Menschen eingefunden haben, die wegen ihrer (Homo)Sexualität aus ihren Heimatländern fliehen mussten, fanden wir es unabdingbar dem Wunsch nachzukommen, hier einen besonderen Schutzraum für Tests zu bieten.

Aidshilfe Gießen e.V.

jeden 2. und 4. Dienstag eines Monats

von 17 – 19 Uhr, Diezstr. 8

NUR FÜR SCHWULE und andere MSM an.

Es wird an diesen Tagen streng darauf geachtet, dass dieser Schutzraum respektiert wird!

 

In der Aidshilfe Marburg e.V.

findet der Test vornehmlich für Schwule und andere MSM

an jedem 1. und 3. Dienstag eines Monats

von 18:00 – 19:30 Uhr, in der Bahnhofstr. 27 statt.

 

 

Test-Angebote für ALLE bietet die Aidshilfe Gießen e.V. an folgenden Orten an:

Praxis-Dilltal

Stegwiese 27a, 35630 Ehringshausen

Montags von 16 -18 Uhr

Raum 2.08, 2. Stock

In Kooperation mit dem LDK und der Praxis Dilltal

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Hans-Peter Hauschild-Haus

Diezstr. 8, 35390 Gießen

1., 3. und 5. Dienstag von 17 – 19 Uhr

Erdgeschoß

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Gesundheitsamt Friedberg

Europaplatz, 61169 Friedberg

Donnerstags von 16 – 18 Uhr

Raum 187a

In Kooperation mit dem Wetteraukreis

Warum „straightacting“ gefährlich ist

„Straightacting“ oder „heterolike“ sind Begriffe, die immer häufiger in Online-Profilen schwuler Männer  zu lesen sind. Sie sollen beschreiben, wie männlich und stark der Inhaber des Profils doch ist.

Nun, wir sind schwul und diese männlichen Attribute sollten damit klar Bezugspunkte unserer körperlichen Anziehung sein, aber so stereotypisch?!

Es wertet aber  die Männer ab, die scheinbar weniger männlich sind. Ab- und Aufwertungen von Menschen sind leider Alltag, aber gerade wir sollten in der LSBT*IQ-Community sollten doch eigentlich wissen, dass Abwertung auch unweigerlich Gewalt bedeutet und letztendlich zu körperlicher Gewalt und Misshandlung führt. Schwule Männer, egal wie männlich sie sind (oder sein wollen), bleiben dennoch Arschficker – und wie das zwischen zwei Männern „heterolike“ sein soll, wäre eine Überraschung. Und auch da wertet es den Partner ab, der dem „Aktiven“ gestattet, seinen Schwanz reinzustecken und ihm ein geiles Erlebnis bereitet. Irgendwie verschwimmen die die Grenzen zwischen „aktiv“ und „passiv“ doch in der Praxis sehr, je nach Situation. Nicht umsonst sind „aggressive Bottoms“ besonders beliebt bei den Tops – und ein „aggressive Bottom“ ist alles andere als passiv.

Die Vermutung liegt nahe, dass in diesem Aufplustern, Muskeln zeigen und „hetero spielen“ eher ein Minderwertigkeitsgefühl schwuler Männer begründet ist, weil die heteronormartive Gesellschaft nunmal starke Männer will und keine verweichlichten, arschfickenden Schwuchteln.

Diskriminierung, Abwertung und Ausgrenzung nagen am Selbstwertgefühl. Und ein junger Mann, der feststellt, dass er anders ist als die Eltern von ihm erwarten, macht so schon in der Pubertät eine dramatische Erfahrung des Scheiterns. Oft tritt ein Teil des Umfelds dann auch noch nach, oder erschwert das äußere Coming-Out mit homophoben Sprüchen, wie wir sie alle noch vom Schulhof kennen.

Dass Homophobie schädlich ist, wissen wir, aber wieso jetzt auch „straightacting“?! Weil „strightacting“ letztlich nichts anderes ist, wie das Versteck- oder Rollenspiel vor dem Coming-Out. Emanzipation geht anders! Es sind also sozusagen „verinnerlichte Schuldgefühle“ aufgrund der eigenen Sexualität. Diese „internalisierte Homonegativität“, die der Psychologe Prof. Dr. Udo Rauchfleisch den „Feind von innen“ nannte, „entsteht aufgrund negativer Ansichten über gleichgeschlechtliche Orientierungen und Lebensweisen, wobei von der „Heteronormativität“ ausgegangen wird: Heterosexualität ist die Norm, alles davon Abweichende ist „schlecht“, „krank“, „sündig“.“

Also ist „der innere Feind“ eine Gefahr für die psychische und damit natürlich auch für die Körperliche Gesundheit. Menschen mit unbehandelten Depressionen und Minderwertigkeitsgefühlen sind von autoaggressivem Verhalten besonders bedroht. Und auch hier sind gerade junge Menschen besonders verletzlich: 80% der Selbstverletzungen finden bei Menschen unter 20 Jahren statt und über 24 Jahren praktisch nicht mehr. Es ist also ein Phänomen der jungen Generation.

„Studien haben erwiesen, dass sich die internalisierte Homophobie massiv und sehr vielfältig auf unsere Gesundheit beziehungsweise unser Gesundheitsverhalten auswirken kann. Dazu gehört, dass etwa das Informationssuchverhalten beeinträchtigt wird, Betroffene sich also weniger Hilfe bei Fragen rund um Safer Sex oder andere Themen suchen, die mit ihrer als „schlecht empfundenen Sexualität zu tun haben. Auch das Testverhalten ist davon konkret beeinträchtigt“, sagt Dr. Dirk Sander, Fachreferent für Schwule und andere Männer, die Sex mit Männern haben.

Damit ist klar, wer sich für seinen Sex schämt, wird damit nicht offen umgehen, Probleme ignorieren und mögliche Infektionen verschweigen. Wegschweigen kann man das Problem einer (unerkannten) HIV-Infektion allerdings nicht, damit macht man es nur noch größer. Denn die meisten Infektionen geschehen in Kontexten, wo sie noch nicht bekannt ist. Wahrscheinlich finden sehr viele sogar in der ersten Zeit der Infektion, die durch eine besonders hohe Viruslast (und damit auch Infektiosität) gekennzeichnet ist.

Deshalb ist eine diskriminierungsfreie Umgebung für eine erfolgreiche Prävention unerlässlich. „Gesellschaften, die sich erfolgreich mit Homophobie auseinandersetzen, haben größere Präventionserfolge.“ (Dr. Dirk Sander) Das Gegenteil davon erleben wir gerade in Russland. Dort infizieren sich jeden Tag 200 Menschen mit HIV, im Vergleich von 2013 zu 2014 stiegen die Neuinfektionen um zehn Prozent an, 40% durch heterosexuelle Kontakte.

Deshalb ist „straightacting“ nicht nur das Gegenteil einer wertschätzenden Selbstbeschreibung, sondern auch gefährlich aus Sicht der Prävention.

 

Den Artikel im Original könnt Ihr auf hier nachlesen.