Heterolike

Unser Gastautor fink beschäftigt sich in seinem Blog „der zaunfink“ mit heteronormativen Auswüchsen, schwulen Helden, Aufklärungsgegner_innen und Anpassungspredigern, Küssen am Bahnsteig, Toleranzheuchelei und allem anderen, was so zur schwulen Weltverschwörung dazugehört. Für mehr davon: Besuche www.derzaunfink.wordpress.com

 

„Was knurrst du denn schon wieder dein Notebook an? Will da wieder ein zölibatärer Zausel Beziehungstips aus der Bronzezeit vermitteln? Inklusive Steinigungsoption?“

„Schlimmer. Hier ist so ein Depp, der sich ‚heterolike‘ nennt. Ich dachte, die wären endlich ausgestorben.“

„Die sterben nicht aus, so lange auf CSD-Trucks ‚I Am What I Am‘ gespielt wird.“

„Fängst du jetzt auch noch an?“

„Ist doch wahr. Es gibt genügend Gründe, sich mit der sogenannten schwulen Community nicht identifizieren zu wollen.“

„Gründe wie Gloria Gaynor, oder was?“

„Zum Beispiel.“

„Darum geht’s aber nicht. Diese Hirnakrobaten wollen irgendwie schwul sein, ohne schwul zu sein.“

„Und der Volksmund sagt, mit einem Schwanz im Mund könne man nicht ‚heterolike‘ sagen. Aber schwulen Sex wollen die ja trotzdem haben, oder?“

„Klar, aber nur mit ganz bestimmten Typen. Die sollen athletisch sein und kerlig und gepflegt, aber bloß nicht parfümiert oder zu gestylt und um Himmels willen nicht irgendwie feminin …“

„Willst du doch auch.“

„Ich fange deswegen aber nicht an, gegen die Anderen mies rumzustänkern. Von wegen ’straight acting‘! Acting heißt schauspielern! Wem wollen die denn was vorspielen? Sich selbst? Hier, der hier schreibt: ‚Heterolike sucht heterolike.‘ Und was wollen zwei schwule Heterodarsteller dann miteinander anstellen? Rülpsen, Spucken, Holz hacken und dann Heteropornos gucken, während sie aneinander rumfummeln?“

„Reg dich doch nicht gleich wieder so auf. Du scheinst ein paar Vorurteile gegen Heteros zu haben, wenn ich das mal anmerken darf.“

„Ich will mich aber aufregen! Hier geht’s weiter: ‚Ich stöckle nicht in Frauenklamotten rum, kreische nicht tuckig, hasse ABBA und Prosecco und habe keine gebrochenen Handgelenke.‘

„Naja, wir beide laufen ja auch nicht in …“

„Nein, aber man kann sich doch selbst beschreiben, ohne zu sagen, was man alles nicht ist und wie himmelfroh man darüber ist, es nicht zu sein. Wer etwas dermaßen aggressiv ablehnen muss, was doch angeblich gar nichts mit ihm zu tun hat, der hat doch ein ernstes Identitätsproblem!“

„Frag ihn doch mal, was ihn da eigentlich umtreibt.“

„Das habe ich eben gemacht. Der meint, mit ‚heterolike‘ wolle er nur sagen, dass eben nicht alle Schwulen tuntig seien. Ich habe ihm erklärt, dass seine Aussage ‚heterolike gleich nicht-tuntig‘ umgekehrt bedeutet ’schwul gleich tuntig‘, dass er also genau das Klischee bestärkt, das er angeblich kritisiert. Aber das hat er nicht begriffen. Er sei halt ein ganz normaler Mann und kein typischer Schwuler. Der typische Schwule ist also für ihn anormal. Na dankeschön!“

„Du setzt wirklich voraus, dass Schwule ihr Verhalten reflektieren?“

„Ich finde, dass ein schwuler Mann schon so ungefähr kapieren sollte, was das Problem ist, statt selber noch an den Problemen mitzubasteln.“

„Niedlich.“

„Und es geht weiter: ‚Keine Berufsschwulen, keine promisken Szenegänger, keine Alt-68er-Schwuppen.‘ Haben diese Küken keinen Respekt vor den Leuten, die ihnen die Steine aus dem Weg geräumt haben? Ohne die sogenannten Berufsschwulen gäbe es weder die Dating-Plattform, auf der dieser Möchtegern-Hetero da herumhetzt noch das Forum, in dem sich der andere da über Tunten auslässt. Das ist beides auch ‚Szene‘! Ohne die Menschen, die diese Bubis da beschimpfen, könnten die heute nicht in ihren schwulen Technoschuppen rumstehen und ihre Handys streicheln. Wir würden Schwule immer noch nur als Triebtäter bei ‚Aktenzeichen xy‘ sehen. Die ‚Berufsschwulen‘ und die ‚Szenegänger‘ haben denen alles ermöglicht, was sie heute selbstverständlich finden.“

„Jaja, Opa erzählt vom Krieg. Das wollen die aber nicht hören. Die wollen einfach ihr kleines Leben geregelt bekommen und dabei nicht dauernd auf die Mütze kriegen. Wenn die sagen ‚heterolike‘, dann meinen sie: Unauffällig und deswegen unbehelligt. Die wollen sich einfach nur für normal halten.“

„Ach, und deswegen müssen sie nachplappern, was alles angeblich ‚unnormal‘ ist? Das ist schwuler Selbsthass und nichts anderes. Hier schreibt er weiter: ‚Meine sexuelle Orientierung ist nur eine Facette in meinem Leben unter vielen. Ich klatsche mein Schwulsein nicht gleich jedem ins Gesicht, dem ich begegne.‘ Der könnte auch einfach sagen, ‚Ich bin eine Klemmschwester und spucke auf alle, die offen schwul leben.‘ Bitte, die können ja machen, was sie wollen, aber sie sollen ihre Verherrlichung des Duckmäusertums nicht auch noch abfeiern, als sei das der bessere Weg.“

„Ich sehe schon, du willst dich wieder reinsteigern.“

„Das sagte ich doch schon.“

„…“

„Was soll dieser lauernde Blick? Den kenne ich doch!“

„Ich denke nur gerade … als Liane neulich sagte, man sehe dir gar nicht an, dass du schwul seist, da warst du schon geschmeichelt, oder?“

„Quatsch, das ist mir doch wumpe.“

„Na, komm… Ich kann auch deine Blicke lesen. Als sie dann noch sagte, dass du ja wirklich gar kein Bisschen tuntig seist, da bist du zwei Zentimeter gewachsen.“

„Unsinn. Ich bin ein selbstbewusster schwuler Mann und hätte kein Problem damit, wenn man mir das ansieht. Was soll das überhaupt? Schwulsein sieht man nur, wenn einer rumtuckt, oder wie? Da haben wir’s doch schon wieder!“

„Und der schwarze Nagellack, den du neulich mal aufgetragen hattest, der war auch ziemlich schnell wieder runter. Warum eigentlich, das gefiel dir doch erst ganz gut?“

„Weil ich keinen Bock drauf habe, dass die Leute mich anstarren, als wäre ich ’ne Marienerscheinung. Worauf willst du hinaus?“

„Du wolltest nicht tuntig aussehen und hast dich dann doch irgendwie geschämt, also hast du deinen mutigen kleinen Ausbruch aus der Heteronormativität schnell wieder beendet. Wenn das mal kein ’straight acting‘ ist …“

„Jetzt hör aber auf.“

„Damit fängt es aber an. Wir bekommen auf die eine oder andere Weise auf die Klappe, sobald man uns das Schwulsein ansieht. Das betrifft uns doch alle. Willst du den Leuten vorwerfen, dass sie Angst haben?“

„Nein, ich werfe ihnen vor, dass sie diese Angst nicht reflektieren und sie an anderen auslassen.“

„Und was erwartest du?“

„Respekt. Vor den offenen Schwulen, den Aktivist*innen und den Tunten. Ist das zu viel verlangt?“

„Weiß nicht. Schreib doch einen Text darüber und frag die Leser*innen.“

„Genau das mache ich.“

 

 

 

Anmerkung der Redaktion:

Bring dich in die Diskussion ein!

2 Gedanken zu „Heterolike“

  1. Wichtig ist, dass jede „Tunte“ und jedes „Mannsweib“ die gleichen Rechte auf Individualität haben, wie jede*r andere auch. Das Problem liegt nicht bei ihnen, sondern in den Klischees, die aus ihnen entstehen und auf jede*n übertragen werden, der*die die sexuelle Orientierung mit ihnen gemeinsam hat. Dass diese Klischees weiter aktiv sind, ist aber nicht ihre Schuld und kann durch mehr Sichtbarkeit homosexueller Paare, die alle für sich einzigartig und individuell unterschiedlich sind, verändert werden.
    Auf jeden Fall sind alle schwulen Männer „richtige“ Männer und alle lesbischen Frauen „richtige“ Frauen, egal wie sie sich anziehen, bewegen, denken, tanzen, etc. Auch für homo- und bisexuelle Menschen gilt: Vielfalt gewinnt!

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